das andere
Fiktion
Gearbeitetes
Gebautes
Geduschtes
Gefundenes
Gehörtes
Gekochtes
Gelesenes
Gelistetes
Gequotetes
Geschriebenes
Gesehenes
Gespieltes
Gestandenes
im Suff
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Wer versteht schon....


Lärm von der Strasse lässt mich aufschrecken. Ich springe aus meinem weichen Sessel am Kamin auf und stürme zum Fenster. Die Gasse liegt dunkel vor mir und nur das fahle Mondlicht wirft blasse Wärme auf die Welt vor meinem Haus. Nichts zu sehen, und doch höre ich lautes Geschrei. Plötzlich beginnen die Schatten auf der Strasse wild zu tanzen und schon sehe ich die Quelle des Lärms näher kommen. Ein wilder Mob zieht durch die Gasse hinauf, schreit laute Parolen und schwenkt Fackeln. Die Menge scheint sich um eine Person herum formiert zu haben, die gezogen und geschoben wird.

Schnell schlüpfe ich in Mantel und Stiefel und eile zur Tür hinaus. Kaum dass ich die Türe zur Strasse geöffnet habe, verstehe ich schon die Schreie. "Verbrennt ihn", "Schafft ihn bloß weg" und "Er verdient es" übertönen all das Gemurmel von dunklen Praktiken und einer Schande für die ganze Gegend. Ich schließe mich mal vorsichtig der Menge an, versuche einen Blick auf die Person zu werfen, die all das herauf beschworen hat. Viel kann ich nicht erkennen, da der Mann die Arme schützend um den Kopf geschlungen hat und gebückt geht. Dauernd schubst ihn jemand an, damit er weiter geht.

Der Mob und ich bahnen uns den Weg durch die Gassen zum Dorfplatz. Einige Männer und Frauen hatten schon begonnen Reisig und Äste zusammen zu tragen. Ein wilder Haufen aus altem, trockenen Holz war schon aufgetürmt, aus dessen Mitte ein großer, dicker Holzpfahl aufragte. "Auf den Scheiterhaufen mit ihm", brüllten die Leute nun mit einer Kehle. Der Bürgermeister trat aus seinem Haus und stellte sich auf ein kleines Podest, dass schon hergerichtet worden war. Die rote Schärpe, die ihn als Bürgermeister des Dorfes kennzeichnete, die er um den Leib trug, schimmerte im Licht der Fackeln.

Als sein Blick die Augen des gekrümmt dastehenden Mannes, der von der wütenden Menge noch immer hin und her geschubst wird, trifft verzieht sich seine Miene kurz schmerzlich. Er wendet sich wieder an die Menge. "Es ist eine schlimme Anschuldigung die ihr diesem Mann zuteil kommen lasst...aber er hat wie jeder ein faires Recht auf eine Verhandlung. Wir sind von einer einfachen, schnellen 'schmeißt ihn auf den Scheiterhaufen'-Justiz weit entfernt." Er warf den Männern und Frauen die unbeirrlich Holz und Reisig zusammen trugen einen bösen Blick zu.

Ich versuche einen genaueren Blick auf die Gestalt vor mir zu werfen. Die dicht stehenden Leute und eine tief ins Gesicht gezogene Kapuze erschweren den Versuch. Ich dränge mich weiter nach vorne und erkenne dann schon an der Statur wer es ist. Mir bleibt kurz der Atem weg. Er bewegt seinen Kopf zu mir, als er meine Anwesenheit bemerkt. Seine dunklen Augen werden vom Schatten der Kapuze verborgen, ich kann seinen Blick dennoch spüren. Leise dringen die Wortfetzen des Gesprächs zw. dem Bürgermeister und dem Mob an mein Ohr.

Eine aufgebrachte Männerstimme "Er hat es zugegeben."- "Sowas sagt man nur so..." versucht der Bürgermeister zu beruhigen.

"Wir können so jemanden nicht in unserer Gemeinde dulden" die alte kratzige Stimme, der Frau des Müllers - "Wir werden uns der Sache schon annehmen", wieder der Bürgermeister.

"ER VERSTEHT FRAUEN!!", die ganze Menge brüllt - der Bürgermeister schweigt.

Ich reiße meine Augen erstaunt auf, und schaue meinem Gegenüber in die Augen. Er senkt nur traurig den Blick. Ich kann es nicht glauben. Ich kenne diesen Mann schon mein ganzes Leben. Wir waren Freunde seit wir uns als kleine Buben gegenseitig versucht haben im Sandkasten zu vergraben. Ich habe mit ihm die schrägsten Erlebnisse gehabt. Nein, ich weiß einfach, dass das nicht wahr sein kann. Er versteht Frauen nicht, ich weiß das...wir waren gemeinsam in der Pupertät. Ich will schon laut aufschreien, mich der Menge entgegen stellen, meinem Freund helfen.

"Die Probe!" schreit die Meute. "Die Probe." bestätigt der Bürgermeister. Unwillkürlich muss ich schlucken. Mich denen entgegen zu stellen würde bedeuten, dass man von mir ebenfalls annimmt ich würde Frauen verstehen. Die Gedanken in meinem Kopf schwirren. Wie kann man nur annehmen, dass jemand aus unserem Dorf Frauen verstehen würde... Plötzlich wird mir klar was es bedeutet ihn der Probe zu unterziehen...

Man steckt ihn mit einer Frau zusammen...wenn sie ihn nicht fertig macht ist bewiesen dass er Frauen versteht und er kommt auf den Scheiterhaufen, doch wenn nicht, dann wird er sein lebtag lang mit ihr zusammen bleiben. Ich kann mich nicht entscheiden, welches Schicksal ich meinem Freund eher wünsche...
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma

development